Ein Bruder zu viel

Antolin Quiz
von Linde Hagerup, Felicitas Horstschäfer (Illustrator*in)
Rezension von Janett Cernohuby | 28. Januar 2019

Ein Bruder zu viel

Eine ganz normale Familie - Mutter, Vater, zwei Mädchen - ein ganz normales Leben. Bis zu jenem Tag, als die Freundin der Mutter stirbt und einen kleinen Jungen zurücklässt. Einen Jungen, der mit seinen fünf Jahren nun ganz alleine ist und niemanden mehr hat. Vor diesem Hintergrund hat Linde Hagerup ein Kinderbuch geschrieben, das unter die Haut geht: „Ein Bruder zu viel“.

Ein Schicksalsschlag, der alles verändert

Steinar heißt der Junge, der mit gerade einmal fünf Jahren seine Mutter verloren hat. Er zieht bei Sara und ihrer Familie ein. Plötzlich ist die Neunjährige nicht mehr nur die kleine Schwester, sondern wird zur großen Schwester. Obendrein soll sie sich mit Steinar ein Zimmer teilen. Dabei kann Sarah Steinar nicht leiden. Sie findet ihn blöd, ebenso die neue Familiensituation. Als ihr klar wird, dass sie keine gute große Schwester sein kann, hat sie eine Idee. Über Nacht wird sie zu Alfred, der sich um Steinar kümmert, mit ihm spielt und ihn beschützt...

Starke Gefühle, starke Geschichte

Linde Hagerup erzählt in ihrem Kinderbuch eine Geschichte, die unter die Haut geht. Der Gedanke, so früh seine Mutter zu verlieren und dann niemanden mehr zu haben, ist schrecklich und traurig zugleich. Wie viel schöner ist es dann, als eine Freundin der Verstorbenen den kleinen Jungen bei sich aufnimmt. Damit wendet sich die Autorin aber ab von dem Schicksal des kleinen Jungen und blickt zu dem Mädchen, das nun große Schwester sein soll. Sie erzählt Saras Geschichte, für die der Gedanke sich von nun an Zuhause und Familie mit diesem kleinen Jungen teilen zu müssen, einfach schrecklich ist. Sara fühlt sich ausgegrenzt, zurückgestellt. Sie findet Steinar blöd, aber ihr ist gleichzeitig bewusst, dass sie eigentlich Mitleid mit ihm haben sollte. Doch das klappt nicht. Das klappt einfach nicht, wenn das eigene Leben aus den Fugen gerät. Wenn gewohnte und geliebte Rituale und Gewohnheiten mit einem Mal nicht mehr existieren oder verändert werden. Wenn Sara plötzlich zur Seite rücken und Platz für Steinar machen muss. Es ist eine schwere Lektion, die Sara lernen muss. Sie spürt, dass es ihr nicht gelingt, dass sie Hilfe braucht. Die findet sie in sich selbst, indem sie zu Alfred wird, der ein viel besserer großer Bruder sein kann.
Linde Hagerup beschreibt große Gefühle und dramatische Lebenssituationen. Sie nennt die Dinge beim Namen, beschönigt nichts, klagt aber auch nicht an. Weder Sara, die sich nur sehr schwer mit der neuen Familiensituation abfinden kann, noch ihre Eltern, die sich intensiv mit Steinar beschäftigen. Und das ist gut, denn man kann, man darf beiden keinen Vorwurf machen. Es ist eine Extremsituation, die von allen etwas abverlangt, was keiner sofort geben kann. Jeder der Familienmitglieder muss erst in das neue Leben hineinwachsen und jedem gelingt es besser und schlechter. Emilie, die große Schwester von Sara, scheint beispielsweise überhaupt keine Probleme damit zu haben. Saras Vater, der sehr viel Geduld mit seiner Tochter hat, der sie versteht und versucht, ihr zu helfen. Saras Mutter hingegen bleibt farblos und im Hintergrund.
Berührend und eindringlich erzählt Linde Hagerup diese Geschichte. Sie bringt Emotionen hinein, die dem Leser zu kauen geben. Ist das eine Geschichte, die neunjährige Kinder lesen können? Auf jeden Fall! Denn es ist eine Geschichte, die aus dem Leben gegriffen sein könnte. Freilich ist es kein leichter Stoff,  aber Hagerup hat die Dramatik soweit entschärft, dass Kinder von der Handlung zwar ergriffen, aber nicht verstört sind.
Natürlich wird die Geschichte von Illustrationen begleitet. In blau-gelb-Tönen zeichnete Felicitas Horstschäfer einfache, aber dennoch aussagekräftige Bilder. Mal als Vignetten, mal großflächig eingefügt, zeigen sie das Erzählte und unterstützen die Wirkung des Buchs auf die LeserInnen.

„Ein Bruder zu viel“ ist ein berührender und gefühlvoller Kinderroman, der vor dem Hintergrund einer großen Tragödie zeigt, wie stark Kinder sein und wie überlegt sie mit schweren Situationen umgehen können. Es ist eine Geschichte, die unter die Haut geht, die aber gleichzeitig Hoffnung und Positives ausstrahlt.

Details

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Gefühl:
  • Illustration:

Könnte Ihnen auch gefallen: