Johanna

von Renate Welsh
Rezension von Janett Cernohuby | 07. September 2015

Johanna

Zeitgeschichte für junge Leser spannend und berührend zugleich zu machen, ist eine Kunst die Renate Welsh definitiv beherrscht. Ihr 1979 erschienener und 1980 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichneter Jugendroman "Johanna" ist eines ihrer bekanntesten Werke und wurde nun beim G & G Kinderbuchverlag erneut aufgelegt.

Johanna wächst in den 1930-igern als uneheliches Kind bei Pflegeltern im österreichischen Burgenland auf. Unter dem Vorwand eine Ausbildung zur Schneiderin beginnen zu können, wird sie nach Niederösterreich geschickt. Doch kurz nach der Ankunft muss sie erfahren, dass die versprochene Ausbildung nur eine Lüge war; ein Vorwand um sie wegzulocken. Nach einer ersten Nacht im Armenhaus erfährt Johanna, dass sie auf einem Bauernhof als Magd arbeiten soll. Unter menschenunwürdigen Bedingungen. Vor ihr liegen viele Jahre harter Arbeit, Ausbeutung, karger Kost, ohne Zeit und Raum für sich selbst und vor allem ohne Bezahlung. Doch Johanna gibt nicht auf. Sie zieht sich nach außen hin immer mehr in sich zurück, beobachtet ihre Umwelt und die Menschen um sich herum sehr genau. Sie kämpft für ihre Rechte, ihre Freiheit und darum, ihr Leben selbst zu gestalten.

Einfühlsam, ergreifend und eindrucksvoll erzählt Renate Welsh die Geschichte von Johanna, einem Schicksal dass auf einer wahren Begebenheit basiert. Die einfühlsame Sprache berührt die Leser, fesselt sie an das Buch und die darin geschilderten Ereignisse. Man leidet mit Johanna mit, empfindet genau wie sie Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit, um daraus dann aber auch neue Kraft zu schöpfen. Mit Bewunderung verfolgt man den Werdegang des jungen Mädchens und empfindet tiefen Respekt für das, was sie erreicht hat.
Renate Welsh gelingt es, auf spannende Art Zeitgeschichte einfließen zu lassen und junge Leser dafür zu interessieren. Doch die Geschichte von Johanna ist nicht die Geschichte einer glücklichen, unbeschwerten Kindheit. Vielmehr zeigt Renate Welsh die sozialen Missstände jener Zeit auf, wie Arbeitskräfte und vor allem auch Kinder ausgebeutet wurden. Wie erst ihr Wille und dann ihr Geist mit verletzenden Äußerungen gebrochen wurden, bis sie in sich selbst nichts weiter sahen, als eine billige Arbeitskräfte. Auch körperliche Gewalt kam dabei zum Einsatz. Es ist ein langsamer und mühevoller Prozess für Johanna, aus der Ecke des lästigen, nicht-gewollten, unehelichen Kindes herauszukommen und die Fremdbestimmung abzuschütteln. Doch Johanna ist stark und so geht sie ihren Weg. Sie entwickelt sich zu einer selbständigen jungen Frau, die man achtet und respektiert.
Jugendliche unserer Zeit können sich ein solches Leben, ein solches Schicksal kaum vorstellen. Renate Welsh gelingt es wunderbar, das Bild einer vergangenen Zeit heraufzubeschwören und für die jungen Leser lebendig werden zu lassen. Man taucht ein in das Niederösterreich der 1930iger Jahre, das geprägt ist von Armut, politischem Umbruch und dem aufkommenden Nationalsozialismus. Um diesen Hintergrund besser zu verstehen fügte die Autorin einen umfangreichen und dennoch für Jugendliche verständlichen zeitgeschichtlichen Überblick am Ende des Werkes bei.

Einfühlsam und feinfühlig erzählt Renate Welsh in ihrem Jugendroman "Johanna" von dem gleichnamigen Mädchen, das sich aus den Zwängen und Vorgaben ihrer Zeit befreit und ein eigenes Leben in Selbstbestimmung und Freiheit erreicht. Auch nach drei Jahrzehnten ist der Roman fesselnd und mitreißend - eben zeitlos.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Genre:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    07/2015
  • Umfang:
    256 Seiten
  • Typ:
    Hardcover
  • Altersempfehlung:
    12 Jahre
  • ISBN 13:
    9783707418767
  • Preis (D):
    14,99 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Gewalt:
  • Gefühl: