Schau mir in die Augen, Audrey

von Sophie Kinsella
Rezension von Janett Cernohuby | 20. Juli 2015

Schau mir in die Augen, Audrey

"Schau mir in die Augen, Kleines" ist wohl eines der berühmtesten Filmzitate. "Schau mir in die Augen, Audrey" ist dagegen ein nicht ganz so melodramatischer, sondern eher witzig-chaotischer Jugendroman, der diesen Sommer in die Buchläden kommt. Auch ist besagte Audrey kein gefeierter Filmstar, sondern ein junges Mädchen, das schon viel Kummer ertragen musste.

Welchen genau, will uns Audrey dabei nicht so recht sagen. Nur so viel, dass es sich um Mobbingattacken einiger Mitschülerinnen gehandelt hat, die sie erst in die Klinik gebracht und dann mit einer schweren, psychischen Störung zurückgelassen haben. Das macht allerdings nichts, denn irgendwie scheint Audreys ganze Familie verrückt zu sein. Ihre Mutter glaubt an die 'heilige' Daily Mail und ein Tag ohne wäre für sie so schlimm wie einen Tag ohne Computer für Audreys Bruder Frank. Dieser muss bald schon ein paar mehr Tage auf diesen verzichten, nachdem der in einer verzweifelten "ich-will-doch-nur-dein-Bestes"-Aktion von der Mutter aus dem Fenster geworfen wurde. Grundsätzlich würde das Audrey ja nicht weiter stören, wenn da nicht Linus wäre. Ein Freund ihres Bruders, der seit einiger Zeit öfters vorbei kommt und mit dem Audrey ins Gespräch gekommen ist. Obwohl sie ja Fremde nicht mag und außer ihren "Wohlfühlmenschen" niemanden an sich herankommen lässt. Doch irgendwas hat dieser Linus und aus irgendeinem Grund fände es Audrey sehr traurig, wenn er plötzlich nicht mehr vorbei kommen würde…

Wer ist hier eigentlich verrückt? Audrey wegen ihrer sozialen Phobie und den generalisierten Angststörungen, ihr computersüchtiger Bruder Frank oder ihre gesundheitsfanatische Mutter? Zwei Personen kann man dabei auf jeden Fall ausschließen, nämlich den charmanten, mit dem Herzen eines Teddybären ausgestatten Vater und den unschuldigen, vierjährigen Bruder. Ansonsten bekommt man hier eine Familienidylle präsentiert, die so manches Mal für herzhaften Lacher sorgt. Etwa wenn Tochter und Sohn versuchen, das falsche Alter auf der Geburtstagstorte der Mutter mit "irgendwas Essbarem" zu korrigieren, wenn die Mutter verzweifelt versucht, ihren Ältesten vom Computer wegzulocken und dabei die abenteuerlichsten Kletterversuche hinlegt oder wenn jener computersüchtige Spiele-Nerd die amüsantesten Ausreden erfindet, um seiner Mutter nicht antworten zu müssen.
Dazwischen steht natürlich die Protagonistin Audrey, die mit ihrem Erlebten zwar etwas extrem Schreckliches hat erfahren müssen, aber uns Lesern etwas Wichtiges zeigt. Nämlich, dass Zurückblicken und darüber Nachgrübeln gar nichts bringt. Es ist völlig unnötig, über Schuld, Unschuld, Prävention und die Frage nach dem Warum zu suchen. Das bringt niemanden voran. Und am allerwenigstens Audrey selbst. Stattdessen nimmt sie all ihren Mut und ihre Kraft zusammen und versucht ihr Leben und ihre Angststörungen wieder in den Griff zu bekommen. Das gelingt ihr auf bemerkenswerte Art und Weise. Als Leser empfindet man tiefen Respekt für das Mädchen und bewundert ihren Mut und ihren Kampfgeist.
Das Buch ist eine zauberhafte Familiengeschichte, die zwar aus der Sicht der Protagonistin erzählt wird, aber nicht auf sie allein fixiert ist. Alle Familienmitglieder finden Platz darin und agieren wunderbar ausgewogen miteinander. Es ist ein Entwicklungsprozess, ein Wachstumsprozess, der sich uns Lesern auf sehr spannende und unterhaltsame Art präsentiert. Zwar ist die gesamte Handlung sehr witzig und komisch erzählt, jedoch rutscht die Autorin dabei zu keiner Zeit ins Alberne oder Lächerliche ab. Stattdessen beweist sie, dass auch eine lustige Geschichte ernsthaft sein kann und eine ernsthafte Geschichte über Humor verfügen.

So wird "Schau mir in die Augen, Audrey" zu einem sommerlichen Lesespaß für junge Mädchen ab zwölf Jahren. Die Familiengeschichte ist eine gelungene Mischung aus Humor und Drama. Wenngleich die Protagonistin Audrey eine schwere Zeit hinter sich hat und noch immer sehr für ihre Rückkehr in die Normalität kämpfen muss, meistert sie dies nicht nur mit Bravour, sondern auch Witz und Charme. So wird das Werk zu einem tollen Lesegenuss, den man sehr empfehlen kann.

Details

  • Autor*in:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    07/2015
  • Umfang:
    384
  • Typ:
    Taschenbuch
  • Altersempfehlung:
    12 Jahre
  • ISBN 13:
    9783570171486
  • Preis (D):
    14,99 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Humor:
  • Gefühl:

Könnte Ihnen auch gefallen: