Verschwunden? Gefunden!

von Nanna Neßhöver, Pina Gertenbach (Illustrator*in)
Rezension von Janett Cernohuby | 31. Januar 2024

Verschwunden? Gefunden!

Die letzten Jahre waren nicht leicht für Familien. Während drei Jahren Corona-Pandemie haben sich viele zurückgezogen. Spielplätze galten als gefährliche Orte und Kinder als Superspreader. An Sportveranstaltungen und Trainings durfte nur eine bestimmte Personenzahl teilnehmen und auch diese nur getestet. Alle diese Maßnahmen, die es gut meinten und vor Ansteckung schützen wollten, haben zugleich ein Gefühl der übermäßigen Vorsicht wachgerufen. Vor allem Familien mit kleinen Kindern wurden vorsichtiger und achteten genau darauf, wo sie unterwegs waren. Nun wieder loszulassen und mehr Freiraum zu gewähren, fällt nicht jedem leicht.

Um loszulassen braucht es nämlich nicht nur den Kopf, der um den Ist-Zustand weiß, sondern auch den Bauch, der das dazugehörige Gefühl mitbringt. Oftmals gehen aber beide unterschiedliche Wege. Nanna Neßhöver setzt hier mit ihrem Wende-Bilderbuch an. Darin erzählt sie eine Geschichte des Loslassens und eigener Wege gehen aus zwei verschiedenen Perspektiven, die jede für sich lernt und das nötige Maß an Selbstvertrauen findet.

Wo bist du?

Koalabären bleiben sehr lange bei ihrer Mutter. Doch irgendwann ist für sie die Zeit gekommen, eigene Wege zu gehen. Dem kleinen Koala in dieser Geschichte fällt das sichtlich schwer. Egal wie oft seine Mutter ihn von sich schiebt, sofort springt er wieder auf ihren Rücken. Obwohl er für sie längst zu schwer geworden ist. Eines Tages passiert es. Kurz schaut der kleine Koala nicht hin und sieht dabei nicht, wie seine Mama weiterklettert. Plötzlich ist er ganz allein auf dem großen Baum und fühlt sich furchtbar einsam. Zum Glück leben hier viele andere Tiere, wie etwa der Kokaburra, die ihn trösten und bei der Suche nach seiner Mama unterstützen. Auch die hat sich natürlich schon auf die Suche nach ihrem Kind gemacht und ihn schon längst entdeckt. Doch sie wartet ab, beobachtet ihn und will sehen, wie er sich selbst im Baum zurechtfindet. Darüber schläft sie ein - typisch Koala - und so lernt der Kleine, wie groß uns selbstständig er doch schon ist. Am Abend ist die Wiedersehensfreude dann umso größer.

Verschwunden? Gefunden!

Den Mut, loszulassen

Zugegeben, der Gedanke sein Kind von sich zu schieben, es alleine Erfahrungen sammeln zu lassen und Vertrauen in sein eigenes Können zu finden, ist nicht leicht. Jedes Mutterherz würde seinen Schützling am Liebsten in die Arme schließen, bei der Hand nehmen und durchs Leben führen. Doch irgendwann kommt der Moment, wo wir das nicht mehr dürfen. Wo wir unsere Kinder dazu ermutigen müssen, sich Herausforderungen selbst zu stellen. Manchmal verlangen Kinder danach, manchmal muss man sie zu ihrem Glück zwingen. In Nanna Neßhövers Geschichte ist es eine Mischung aus zufälliger Begebenheit und Zwang. Ein kurzer Augenblick führt dazu, dass Mutter und Kind sich aus den Augen verlieren. Doch schnell hat die Koala-Mama ihr Junges wiedergefunden. Statt es aber nun in die Arme zu schließen, nutzt sie die Gelegenheit der Stunde, beobachtet es und gibt ihm die Chance, über sich hinauszuwachsen und zu lernen. Natürlich ist das nicht nur für das Kind, sondern auch für uns Mütter ein schwerer Lernprozess, doch am Ende profitieren beide Seiten davon. Jeder hat gelernt, in das Können des anderen zu vertrauen. Dies bedeutet ja noch lange keine Trennung, nur eben einen kleinen Schritt zu mehr Selbstständigkeit.

Verschwunden? Gefunden!

Und davon erzählt Nanna Neßhöver in ihrem Bilderbuch. Durch das stilistische Mittel des Wendbuchs erhält die Leserschaft die Gelegenheit, beide Seiten kennenzulernen. Sowohl die des Koalakindes, das sich zunächst ängstlich und alleine fühlt, als auch die der Mutter. Die beobachtet mit Stolz die Entwicklungsfortschritte ihres Kindes und erkennt, wie groß es doch schon geworden ist.
Getragen wird die Geschichte von Pina Gertenbachs liebevollen Illustrationen. In farbenfrohen, lebendigen Bildern zeigt sie uns den aufregenden Tag der kleinen Koalafamilie. Mal großflächig, mal in mehreren kleinen Szenen erzählt sie die Geschichte auf ihre Weise nach und rundet so den erzählenden Text gekonnt ab.

„Verschwunden? Gefunden!“ ist ein mutmachendes Wendebuch mit einer wichtigen Botschaft. Es ermutigt Eltern und Kinder dazu, in ihr eigenes Können zu vertrauen und kleine Schritte in die Selbstständigkeit zu wagen. Freilich sind diese nicht immer leicht, aber wenn man es geschafft hat, kann man sich voller Stolz und Glück in die Arme schließen. So wie die Koala-Mama und ihr Koala-Kind in der Mitte dieses Wende-Bilderbuchs.

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