Die Dinge, über die wir schweigen

Antolin Quiz
von Lea Dittrich
Rezension von Janett Cernohuby | 19. April 2018

Die Dinge, über die wir schweigen

Familiengeschichten sind selten leicht zu verdauen. Manche sind sogar so erschütternd, dass wir nicht wissen, wie wir sie zur Sprache bringen oder uns mit ihnen auseinander setzen sollen. Besonders schwer wird es dann, wenn Kinder involviert sind. Wie kann man gerade ihnen etwas erklären, das selbst wir Erwachsenen nicht verstehen? In diesen Momenten beschließen wir, Stillschweigen zu bewahren. Doch ist das auf lange Sicht wirklich die richtige Entscheidung? Diese Frage muss sich auch Mimis Familie in "Die Dinge, über die wir schweigen" stellen.

Die Suche nach der Mutter

Mimis Mutter ist bei ihrer Geburt gestorben. Zumindest ist das die Geschichte, die ihr Vater ihr immer schon erzählt hat. Doch Mimi kann ihm nicht glauben. Sie hat Erinnerungsfetzen an eine Frau, die sich um sie gekümmert hat, die mit ihr Blumenkränze geflochten und mit ihr im Schnee getanzt hat. Ist ihre Mutter womöglich nicht gestorben, sondern lebt noch? Könnte sie eine der vielen blonden Frauen sein, denen Mimi auf der Straße begegnet, die sie heimlich fotografiert und deren Bilder sie sammelt? Als sie eine Postkarte vom Bruder ihrer Mutter bekommt, der nun in Berlin lebt, bricht Mimi auf, die Wahrheit zu finden. Die Wahrheit über den Tod ihrer Mutter und ein Grab, an dem sie trauern kann. Und so soll dieser Sommer alles verändern …

Familiengeheimnisse und die Suche nach der eigenen Identität

Wer ist meine Mutter? Kinder die mit nur einem Elternteil oder vielleicht auch ganz ohne Eltern aufwachsen, stellen irgendwann ähnliche Fragen. Mimi, die Protagonistin des vorliegenden Buchs, hat auch allen Grund dazu. Sie kennt zwar die Antwort ihres Vaters, über einen tragischen Tod und schmerzhaften Verlust, doch irgendetwas stimmt daran nicht. Nicht nur, weil es nirgends in der Wohnung Fotos der Mutter gibt, sondern weil Mimi kurze, aber dennoch sehr klare Erinnerungen an ihre Mutter hat. Wie kann das also sein, wenn diese angeblich bei der Geburt gestorben sein soll?
Schon früh wird dem Leser klar, dass diese Todesgeschichte eine Lüge ist. Die Autorin versucht auch gar nicht, dem Leser zunächst eine andere Wahrheit aufzutischen, im Gegenteil. Sie vermittelt ihm jene Zweifel, die auch Mimi hat. Dadurch ergeben sich zwei direkte und eine indirekte neue Frage: Warum diese Lüge? Was ist mit der Mutter geschehen? Und wer ist Mimi? Die Identitätsfrage ist von Anfang an ein wichtiges Thema. Mimi sucht verzweifelt ihre Mutter. Verständlich, wenn man wie sie Erinnerungsfetzen hat, wenn Zweifel an einem nagen, aber niemand da ist, mit dem man darüber sprechen kann. Der ehrliche Antworten gibt. Mimi geht es aber nicht nur darum zu erfahren, ob die Mutter nun wirklich gestorben ist, sondern auch darum, sich selbst zu finden. Zu viele Fragen schwirren dem jungen Mädchen durch den Kopf. Fragen, die ihr Vater nie beantworten wollte, denen er immer ausgewichen ist. Doch nun, wo Mimi zur jungen Frau heranwächst, eine eigenen Charakter entwickelt, will sie natürlich auch wissen, woher sie kommt. Natürlich ist sich Mimi dessen zunächst nicht bewusst. Sie will herausfinden, warum da diese Erinnerungsfetzen sind. Erst die Frage, was sie sich von der Suche erhofft und vor allem wie es danach weitergehen soll, lässt sie darüber nachdenken. Am Ende platzt die Bombe. Es ist die bisher unbekannte Großmutter, die Mimi eine ehrliche und schonungslose Antwort gibt. Nun kann das Mädchen beginnen, ihre Mutter kennenzulernen. Aus der Distanz, so viel sei verraten, Mimi wird ihr am Ende des Buchs nicht gegenüberstehen. Aber sie wird erfahren, warum ihr Vater ihr bisher so viel verschwiegen hat. Das gibt der Familie gleichzeitig die Möglichkeit, neu zu beginnen: Großmutter, Onkel, Enkeltochter und Vater endlich wieder vereint.

"Die Dinge, über die wir Schweigen" gibt es in jeder Familie. Dabei handelt es sich definitiv nicht um Themen, die man mit ein paar Sätzen und klärenden Gesprächen abarbeiten kann. Im Gegenteil, hier geht es um tiefliegende Fragen und Probleme. Mimi spürt, dass solche in ihrer Familie vorherrschen und sie möchte endlich Klarheit haben. Über ihre Mutter, über ihre Familie und darüber, wer sie selbst ist. Ein fesselnder Jugendroman, der gleichzeitig berührt.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Genre:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    02/2018
  • Umfang:
    200 Seiten
  • Typ:
    Hardcover
  • Altersempfehlung:
    12 Jahre
  • ISBN 13:
    9783943086560
  • Preis (D):
    14,90 €

Bewertung

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