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The Doldrums

Die höchst wundersame Reise zum Ende der Welt

Antolin Quiz
von Nicholas Gannon
Rezension von Janett Cernohuby | 01. August 2016

Die höchst wundersame Reise zum Ende der Welt

Einst nahm man an, dass die Erde eine Scheibe wäre. Würde man den Rand erreichen, stünde einem ein unvermeidbarer Absturz ins Nichts bevor. Obwohl man irgendwann realisierte, dass man sich hinsichtlich der Form unseres Himmelskörpers geirrt hatte, blieb diese Formulierung dennoch bestehen. Heutzutage steht sie für einen weit entfernten Ort auf der Erde. Etwas, das in Nichaolas Gannons Roman „Die höchst wundersame Reise zum Ende der Welt“ durchaus ein Thema ist.

Schon kurz nach seiner Geburt ist klar, Archer Helmsley ist ein Träumer. Und er ist ein Abenteurer. Dabei ist seine Kindheit zunächst unspektakulär. Er wächst wohlbehütet in einem besonderen Haus auf. Einem Haus, das oftmals mit einem Museum verwechselt wird und das einst seinen Großeltern, berühmten Naturforschern, gehörte. Doch so sonderbar dieses Haus ist, so ungewöhnlich seine Ausstattung, so langweilig verläuft Archers Kindheit. Das soll sich ändern, als seine Großeltern auf einer ihrer Forschungsreisen plötzlich verschwinden. Verschollen auf einem Eisberg. Von nun an darf Archer das Haus nicht mehr verlassen - er könnte ja auch auf einem Eisberg verloren gehen. Als ein einäugiger Kapitän vor der Tür der Helmsley steht, um das Reisegepäck er Großeltern abzugeben, fasst Archer einen Entschluss. Er will sich auf die Suche nach seinen Großeltern begeben. Doch das ist leichter gesagt, als getan. Denn außer um die Schule zu besuchen, darf er das Haus nicht verlassen. Zum Glück findet er in den Nachbarskindern treue Verbündete. Während Oliver in jedem Plan den Fehler aufspürt, hat Adélïde schon einen Kampf gegen wilde Krokodile bestanden. Und so beginnen die Reisevorbereitungen für eine Rettungsaktion am Südpol…

"Die höchst wundersame Reise zum Ende der Welt" ist der Kinderbuchtipp des Jahres. Mit kleinen Einschränkungen. Zunächst einmal, es gibt keine Reise. Zumindest nicht in diesem Band. Die einzigen die zum Ende der Welt reisen, sind Archers Großeltern. Und die gehen auf eben dieser Reise verloren. Warum das Buch dennoch so heißt, ist Spekulation. Sein englischer Originaltitel, "The Doldrums", trifft es auf jeden Fall viel besser. Flaute, Depression, Ruhe, Stille - genau diese Worte beschreiben Archers bisheriges Leben wohl am besten. Archer ist ein Träumer und ein typischer Helmsley, wie er es immer wieder von den unterschiedlichsten Menschen zu hören bekommt. Was das bedeutet, kann er nur erahnen. Denn seine Mutter unternimmt alles, um ihm ein langweiliges, ödes Leben zu bescheren. Zunächst hält sie ihn an der kurzen Leine, die dann noch kürzer wird und Archer das Haus nicht einmal mehr verlassen darf. Doch ein Abenteurer lässt sich nicht einsperren und so beginnt auch Archer heimlich, aus seinen Mauern auszubrechen. In diesem Band bleibt es bei diesen Versuchen, bei den Plänen für eine Reise zum Südpol. Doch genau das macht die Geschichte so spannend und unglaublich fesselnd. Es ist dieser stoische Gleichmut, der über der Familie Helmsley liegt, die biedere Mutter, die zu langweiligen Dinnerabenden, Gartenfesten und Blumenshows einlädt. Die Mutter, die mit aller Macht versucht, ihren Sohn zu einem Langweiler und Spießer zu erziehen, weg von dem, wofür seine Großeltern und der Familienname Helmsley stehen. Das gelingt ihr natürlich gar nicht und Archer sucht sich heimlich seinen Weg in die Freiheit.
Neben der großartigen und unglaublich fesselnden Geschichte tragen auch die brillanten Illustrationen viel zur Atmosphäre im Buch bei. Sie leben von ihren dunklen Pastelltönen und starken Konturen. Die Perspektive der Illustrationen lassen etwas Surreales vermuten, genauso wie es der Erzählstil des Autors tut. Trotzdem ist das nicht der Fall. Sie sind realistisch gezeichnet, ebenso wie die Handlung – die vielleicht nicht direkt realistisch, aber dennoch nicht fantastisch ist. Ohne diese Bilder wäre der Roman bei weitem nicht so stimmungsvoll und atmosphärisch geworden, wie er sich letztendlich präsentiert. Und umgekehrt. Hier ist das eine Element vom anderen abhängig.

"Die höchst wundersame Reise zum Ende der Welt" verspricht vielleicht nicht, was die Worte des Titels aussagen, aber dennoch, was die Stimmung desselben vermittelt. Eine einzigartige, besondere Geschichte, die zum Träumen und Entdecken einlädt, die einen gefangen hält in den Zwängen der äußeren Umstände, aber dennoch den Wunsch weckt, aus eben diesen auszubrechen. So ist es ein vielversprechender Auftakt zu einer Reihe, die stark beginnt und hohe Erwartungen weckt. Ein absoluter Geheimtipp, den man unbedingt lesen sollte.

Details

Bewertung

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