Doppelte Heimat

Antolin Quiz
von Claire Lenkova
Rezension von Janett Cernohuby | 02. Dezember 2025

Doppelte Heimat

Für die heutigen Kinder und Jugendlichen ist die DDR nur noch Stoff aus dem Geschichtsbuch - oder was sie von ihren Eltern und Großeltern erzählt bekommen. Selbst haben sie die Zeit des zweigeteilten Deutschlands nicht mehr miterlebt. Die Folgen sind allerdings nach wie vor da, besonders die Mauer in unseren Köpfen. Vorurteile und Schuldzuweisungen halten sich hartnäckig. Will man beide Seiten verstehen, muss man die Funktionalität beider Länder kennen.

Von der DDR in die BRD

Mitten in Deutschland, in einem Mittelgebirge, verlief einst die Innerdeutsche Grenze. Hier am Kolonnenweg in Thüringen haben die Geschwister Jana und Lutz ihren Spielplatz gefunden. Dabei war es vor vielen Jahren undenkbar, dass hier einmal Kinder spielen dürfen, schließlich war es Sperrgebiet.. DDR. Was war das gleich wieder? Lutz kann sich kaum noch daran erinnern, seine ältere Schwester dagegen schon. Sie beginnt ihm zu erzählen. Von den Großeltern, die durch den Bau der Mauer getrennt wurden. Während der Großvater im Westen lebte, blieb die Großmutter in der DDR. Janas und Lutz‘ Mutter wuchs in der DDR auf, jedoch passte sie sich den Regeln des Regimes nicht an. Sie hielt an ihrem Glauben fest, fand Halt in der Kirchengemeinschaft. Ihr Vater musste für zwei Jahre ins Gefängnis, weil er den Wehrdienst verweigerte. Entgegen dem Druck der Lehrerin, durften Jana und Lutz kein Mitglied der Pioniere werden, was ihren weiteren Werdegang wesentlich beeinflusste.

Doppelte Heimat

Der Druck auf die Familie wurde immer größer, bis die Eltern irgendwann einen Ausreiseantrag stellten. Es folgten Wochen des Bangens und Wartens. Würden sie gehen dürfen? Und wann? Schließlich war es soweit, doch die Ankunft in ihrer neuen Heimat, der BRD, war alles andere als leicht. Hier waren sie die Ossis, wurden ausgegrenzt, belächelt, über den Tisch gezogen. Aber auch hier fanden sie halt in der Kirchengemeinschaft. Als es im Jahr 1989 in der DDR zu Aufständen kam, führte dies zum Fall der Mauer und dem Ende der DDR. Nun wurde aus zwei deutschen Ländern wieder eines. Und doch war es für die Menschen sehr unterschiedlich. Während der Alltag in Westdeutschland seinen gewohnten Weg ging, änderte sich für die Menschen in der ehemaligen DDR alles. Betriebe wurden geschlossen, Arbeitsstellen gestrichen, Menschen verloren ihre Erwerbstätigkeit.
Die Spuren der Innerdeutschen Grenze wurden größtenteils beseitig. Da, wo einst Sperrgebiet war, sitzen nun Kinder um ein Lagerfeuer und grillen. Dabei reden sie über ihre Träume und Pläne und wissen ganz sicher eines: Solange sie diesen besonderen Ort haben, werden sie immer zusammenbleiben.

Doppelte Heimat

Mit dem Comic die deutsch-deutsche Geschichte erklärt

Wie nähert man sich der Geschichte? Wie erzählt man einer Generation von früher? Wie macht man erlebtes greifbar? Eine Graphic Novel ist da sicherlich kein schlechter Ansatz, denn sie vermag über leicht zugängliche Weise etwas so Komplexes transportieren. Genauso präsentiert Clarie Lenkova dieses Buch. Kompakt und übersichtlich zusammengetragen, erzählt sie die deutsch-deutsche Geschichte anhand der Geschwister Jana und Lutz. In diese ist zweifelsohne viel Autobiografisches mit eingeflossen, denn genau wie Janas Familie hat auch die der Autorin die DDR mittels Ausreiseantrag verlassen. Eindrücklich zeigt der Comic, wie das Leben in der DDR war, wodurch der Alltag geprägt wurde, welche Rolle Kindergärten und Schule darin hatten und welche Mechanismen das Leben der Menschen ganz wesentlich geprägt haben. Während Kinder neugierig Janas Erzählung von früher folgen, vermögen wir Erwachsene dahinter noch manches mehr herauszulesen. Die Naivität und Blauäugigkeit der Erwachsenen, die Angst und Sorge der Mutter, das Ausgebeutetwerden. Nicht nur durch den Staat, sondern auch durch Mitmenschen, die die Situation der Familie für ihren eigenen Nutzen zu wissen wussten. Zuerst in der DDR bei der Wohnungsauflösung, später dann im Westen, beim Aufbau eines neuen Lebens. Diese Szenen zeigen, mit welchen Vorurteilen schon vor dem Mauerfall die Menschen aus der DDR zu kämpfen hatten, und wie diese blieben. Doch auch auf der Ostdeutschen Seite gibt es Klischees, etwa die des fetten Biertrinkenden Bayers.
Sehr informativ und vor allem einmal mit anderen Fakten versehen zeigt sich der Anhang zum Buch. Hier wird die Geschichte der DDR noch einmal sachlich und ausführlicher umrissen. Dieser ergänzt die zuvor erzählte Geschichte und gibt noch manche Antwort auf die eine oder andere Frage.
Einzig zu Beginn gibt es zwei Szenen, die vermutlich manche Eltern scharf Luft holen lassen. Da wäre eine angedeutete und doch recht deutliche Liebeszene im hohen Gras (warum?) und ein Lagerfeuer, das die beiden Kinder ohne erwachsene Aufsichtsperson einfach in der Natur, auf einer Wiese machen. Ob es am Ende reicht, ein Lagerfeuer lediglich durch Auspinkeln zu löschen, darf doch sehr bezweifelt werden.

Doppelte Heimat

Trotzdem, das Buch erzählt auf kindgerechte und verständliche Weise die Geschichte von der deutschen Teilung. Dabei liegt der Fokus weniger auf Vermittlung zahlreicher Fakten. Stattdessen wird die Geschichte einer Familie erzählt, die den Druck des Regimes nicht mehr aushielt und ihren Weg in die Freiheit suchte

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