Cleanland

von Martin Schäuble
Rezension von Janett Cernohuby | 05. April 2022

Cleanland

Seit drei Jahren hält ein kleines Virus die Welt in Atem. Es hat unser Leben komplett verändert. Abstandsregeln, strenge Hygiene und das Tragen von Masken bestimmen unseren Alltag. Manche sagen, sie knebeln uns und nehmen uns die Freiheit. Damit einher geht die Frage, wo die persönliche Freiheit aufhört und wo es um den Schutz aller geht. Martin Schäuble führt diese Gedanken weiter und schuf eine Gesellschaft, die man nur als dystopisch bezeichnen kann.

Das Land der Reinheit

„Reinheit bietet Schutz und Berührung ist gefährlich“ - das sind die ersten Gesetze der absoluten Reinheit. Insgesamt fünf solcher Regeln gibt es, die seit der großen Pandemie das Leben der Menschen in Cleanland beherrschen. Denn nur wer sich an diese fünf Regeln hält, kann vor Krankheiten geschützt werden. Freundschaften und Kontakt sind stark beschränkt. Vitalfunktionen werden rund um die Uhr kontrolliert und Überwachung ist zur Normalität geworden. Auch für Schilo, die sich streng an die Reinheitsgesetze hält, im Gegensatz zu ihrer besten Freundin, die alles lockerer nimmt. Doch als Schilo sich entgegen der Regeln verliebt, als die Familie ihrer Freundin ins Visier der Polizei gerät, beginnt Schilo das Leben und die Gesetze in Cleanland in Frage zu stellen….

Die Folgen einer Pandemie weitergedacht

Was ist, wenn wir die Masken nie wieder loswerden? Wenn Social Distancing bleibt? Dieses Szenario hat Martin Schäuble in seinem Jugendroman zum Extrem getrieben, das so niemals passieren darf. Er präsentiert uns zwei Welten: Cleanland, wo alle Menschen auf Distanz aber gesund leben, und Sickland, wo jegliche Sicherheit ignoriert wird. Wie es in Sickland wirklich aussieht, erfährt man nicht. Der Fokus des 195-seitigen Jugendbuchs liegt auf Cleanland, mit einer Gesellschaft, die Angst vor persönlichem Kontakt und zu viel Nähe hat. Wir sehen das Bild einer Welt, die Hygiene und Social Distanceing zum Exzess getrieben hat. Parkbänke und U-Bahn-Abteile muss man reservieren. Überall stehen Boxen zum Desinfizieren bereit. Jeder trägt einen Sicherheitsanzug, der vor Kontakt mit anderen Menschen schützt. Wir sehen eine Gesellschaft, in der Eltern sich nicht mehr trauen, ihre Kinder zu umarmen oder ihnen ohne Gesichtsvisiere näher zu kommen. Eine Gesellschaft, in der Alte in Sicherheitsräume gesperrt werden, damit sie nicht erkranken. Die Angst vor einer Krankheit, ganz gleich welcher, ist allgegenwärtig. Sie ist zu einer Paranoia geworden, die die Menschen in eine dystopische Gesellschaftsstruktur geführt hat. Dazwischen spielt sich ein kleines Drama ab. Jenes um Schilo, die sich entgegen der Regeln verliebt, die kurz gegen das Regime aufbegehrt, in die Sicklands flüchtet und dort ihren totgeglaubten Großvater wiedertrifft. Vor dem sehr beängstig klingenden Hintergrund mit Potential für so viel mehr, bleibt die eigentliche Handlung sehr platt und oberflächlich. Dabei hätte der Plot noch einiges mehr hergegeben. Was ist genau ist während der großen Pandemie geschehen? Wie sind diese zwei Gesellschaften von Clean- und Sickland entstanden? Über welchen Zeitraum hinweg geschah dies? Zu wenig wurde der Hintergrund ausgearbeitet, zu viel wurde auf die Beschreibung der exzessiven Umsetzung von Hygienemaßnahmen gesetzt. Das führt letztendlich dazu, dass man sich nicht wirklich in Schilo hineinversetzen und ihre Beweggründe nachvollziehen kann. Zu oberflächlich erscheint ihre Geschichte, zu plump sind am Ende der Grund, warum ihre Liebe sie hat sitzen lassen. Spannung kommt nicht wirklich auf, da auch die packenden Ereignisse zu glatt laufen und zu schnell abgehandelt sind. Fast scheint es, der Autor wollte in der Handlung nicht zu sehr in die Tiefe gehen, sondern lediglich eine Skizze zeichnen, wie eine übertrieben hygienische Gesellschaft aussehen könnte.

„Cleanland“ ist ein dystopischer Jugendorman, der ein mögliches Bild davon zeichnet, wie sich eine Gesellschaft aus Angst vor Krankheiten und Ansteckung in die falsche Richtung entwickeln könnte. Das Grundgerüst ist gut, ebenso die Darstellung der sterilen Gesellschaft. Doch die Ereignisse um Schilos Aufbegehren gegen das System bleiben oberflächlich, so dass man beim Lesen nicht vollends überzeugt wird.

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