Das falsche Leben

Antolin Quiz
von Maja Nielsen
Rezension von Janett Cernohuby | 27. August 2025

Das falsche Leben

Die Zeit des geteilten Deutschlands ist lange vorbei, doch die Menschen, die jene Zeit miterlebt haben, erinnern sich noch gut daran. Ihre Geschichten und ihre Schicksale sind noch lange nicht alle erzählt. So manche wartet darauf, ihren Weg zu den heutigen Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu finden. Thomas Raufeisens Geschichte wurde nun von Maja Nielsen aufgegriffen und in einem bewegenden Jugendroman niedergeschrieben.

Flucht in die DDR mit Folgen

Gerade noch im Streit mit seinem älteren Bruder, bricht für den sechzehnjährigen Thomas von einem Moment auf den nächsten eine Welt zusammen. Unter dem Vorwand der Großvater sei schwer erkrankt, bricht die Familie überstürzt in die DDR auf. Erst als sie dort ankommen, eröffnet sein Vater, dass es Opa gut gehe. In Wahrheit droht dem Vater die Enttarnung als DDR-Spion, weswegen die Familie in die DDR flüchten musste. Thomas und sein älterer Bruder stehen unter Schock. Ihr Vater ist ein Spion? Und schlimmer noch, sie sollen von nun an in der DDR leben? Beide können und wollen sich damit nicht abfinden. Doch aus dem Alptraum gibt es kein Entkommen. Während Thomas und seine Familie Fluchtpläne schmieden, werden sie entdeckt, verhaftet und kommen erst in das berüchtigte Stasi-Gefängnis Berlin-Hohenschönhausen und später nach Bautzen II.

Das falsche Leben

Ein wichtiges Stück Zeitgeschichte, eine klare Botschaft

Maja Nielsen erzählt in „Das falsche Leben“ wieder eine erschütternde und bewegende Geschichte aus der Zeit des geteilten Deutschlands. Sie geht sogar noch mehr unter die Haut als ihr Vorgänger „Der Tunnelgräber“. Denn hier erzählt sie von einem Jugendlichen, dessen Leben von einem Moment auf den nächsten völlig auf den Kopf gestellt wird. Der von einem demokratischen Staat, wo er in Freiheit lebte, in ein totalitäres Regime verfrachtet wurde, das seine Bürger und Bürgerinnen bespitzelte, aushorchte und gegeneinander ausspielte. Ein Staat, der mit Angst und streng bewachten Grenzen die Menschen an der Kandare nahm. Der Roman zeigt, wie schnell man seine Freiheit verlieren kann, wenn die Demokratie ausgehebelt wird. Wenn antidemokratische Strukturen die Macht übernehmen und die Geschicke eines Landes lenken.
Thomas und seine Familie bekommen das am eigenen Leib zu spüren. Sein Vater, idealistisch und von den Lügen des DDR-Regimes überzeugt, spionierte über zwei Jahrzehnte. Als er und seine Familie schließlich fliehen mussten, lernte er auf die harte Tour, woran er wirklich war. Schnell wird Familie Raufeisen unbequem. Ihre bisherige freie Denk- und Lebensweise passt nicht zu dem regimetreuen Alltag in der DDR. Thomas kommt mit dem Schulalltag nicht zurecht - an dieser Stelle hätte man sich mehr Erzähltiefe gefreut. Wie wurde er von seinen Klassenkamerad*innen wahrgenommen? Wie nahmen ihn seine Lehrenden auf? Es wird zwar angedeutet, dass er keinen Anschluss im Klassenverband fand, doch vermutlich sah sein Schulalltag viel düsterer aus, als hier beschrieben. Ausführlicher und greifbarer wird dagegen sein Aufenthalt im Stasi-Knast beschrieben. Es ist einfach erschütternd zu erfahren, wie ein Jugendlicher unschuldig und in absoluter Ungewissheit 14 Monate lang in Einzelhaft eingesperrt war. Inklusive zermürbender Verhöre. Anschließend die Gerichtsverhandlung, die eine reine Farce war und mit Inhaftierung in Bautzen II endete. Wenigstens wusste Thomas ab dann, wo und vor allem wie lange er dort sein würde. Und danach? Nach seiner Freilassung? Er durfte zurück nach Hannover, doch er hatte viel verloren. Jahre seiner Jugend, seinen Vater (den er nach der Verhaftung nur noch einmal sehen sollte) und seine Großeltern. Die Ungerechtigkeit ist einfach grenzenlos, umso wichtiger ist es, Thomas‘ Geschichte eine Bühne zu geben. Um zu ermahnen, um daran erinnert zu werden, wie fragil Freiheit ist und vor allem, wie wichtig Demokratie ist. Besonders in der heutigen Zeit, wo immer wieder versucht wird, an ihren Grundpfeilern zu rütteln.

Das falsche Leben

„Das falsche Leben“ ist ein erschütternder Jugendroman über eine Familie, die unter falschem Vorwand in die DDR gelockt wurde und die durch die Spionagetätigkeit des Vaters alles verlor. Die Freiheit, die Unbeschwertheit und die Einheit, die sie glaubten, gewesen zu sein. Zugleich ist es eine Geschichte, die zeigt, wie wichtig es ist, antidemokratischen Strukturen keine Macht zu geben.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Genre:
  • Erschienen:
    06/2025
  • Umfang:
    192 Seiten
  • Typ:
    Hardcover
  • Altersempfehlung:
    14 Jahre
  • ISBN 13:
    9783836963558
  • Preis (D):
    15,00 €

Bewertung

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  • Spannung:
  • Anspruch:

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