Der Totenkopf

von Jon Klassen
Rezension von Janett Cernohuby | 20. September 2023

Der Totenkopf

In jeder Region gibt es Sagen, mit denen Kinder aufwachsen. Manche von ihnen bleiben ein Leben lang in Erinnerung, andere verblassen und wir können uns nur noch schemenhaft an ihren Inhalt erinnern. Auch Jon Klassen ging es mit einer Tiroler Sage über ein Mädchen und einen Totenkopf ähnlich. Das regte ihn dazu an, seine Version zu Papier zu bringen und uns damit ein anderes, neues und vor allem schaurig-schönes Märchen zu präsentieren.

Ein schauriges Märchen

Ein kleines Mädchen irrt durch einen tief verschneiten Wald. Es dämmert schon, als es müde und erschöpft an einem alten Herrensitz ankommt. Hinter einem Fenster sieht es einen Totenkopf liegen, den es um Einlass bittet. Der Totenkopf gewährt ihm diesen, knüpft daran aber einige Bedingungen. Außerdem warnt er das Mädchen, dass um Mitternacht ein kopfloses Gerippe das herrschaftliche Haus heimsuche. Dieses Gerippe dürfe auf keinen Fall den Kopf bekommen. Als es schließlich Mitternacht schlägt und das Gerippe vor dem Bett des Mädchens steht, setzt dieses beherzt einen mutigen Plan in die Tat um…

Der Totenkopf

Neu, anders und schaurig-schön

Genau wie bei Märchen, gibt es auch bei Sagen unterschiedliche Erzählweisen. Hier und da werden einzelne Elemente ausführlicher erzählt oder anders beschrieben. Der Kern der Sagen bleibt jedoch gleich.
Das trifft in Ansätzen auch bei Jon Klassens Interpretation der Tiroler Sage „Das Totenköpflein“ zu. Die Rahmenhandlung – ein durch einen Wald irrendes Mädchen, ein altes Herrenhaus, ein sprechender Totenkopf, ein diesen verfolgendes Gerippe bis hin zur Erlösung – sind auch in seiner Neuerzählung vorhanden. Doch dazwischen wurde einiges geändert. Das Mädchen möchte seinen Grund für die Flucht nicht nennen, bereitet dem Totenkopf keine Eierspeise zu, sondern gibt ihm stattdessen Birnen zu essen, die Erlösung findet auf ganz andere Weise statt und am nächsten Morgen erscheint keine weiße Frau. So entstand ein Märchen mit vielen Ähnlichkeiten, aber doch ganz eigenem Klang. Und es ist ein wunderschöner Klang. Moderner, spannender, teilweise mit düsterem Humor und mit einer bisweilen einzigartigen schaurig-schönen Atmosphäre. Diese wird durch Jon Klassens Illustrationen noch verstärkt. Auffällig ist die monochrome Farbgebung, zu der sich je nach Setting ein helles Orange gesellt. Die Augen des Mädchens sowie die Knochen sind fast die einzigen weißen Elemente im Buch. Diese Farbkleckse in der Dunkelheit sind Ankerpunkte, kleine Hoffnungsschimmer für ein glückliches Ende. Die reduzierte Kulisse und einfachen Formen bringen die Stimmung der Handlung gekonnt an die Leserschaft.

Der Totenkopf

„Der Totenkopf“ ist eine moderne und großartige Neuinterpretation einer Tiroler Sage. Durch kleine Änderungen und einen anderen Ausgang bekommt diese Überlieferung nicht nur ein neues Gewand, sie wird auch zu etwas Eigenem. Es ist ein schaurig-schönes Märchen über ein mutiges Mädchen, das ihren Weg geht und eine besondere Freundschaft schließt.

Der Totenkopf

Details

  • Autor*in:
  • Originaltitel:
    The Skull
  • Übersetzer*in:
    Thomas Bodmer
  • Verlag:
  • Erschienen:
    09/2023
  • Umfang:
    112 Seiten
  • Typ:
    Hardcover
  • Altersempfehlung:
    5 Jahre
  • ISBN 13:
    9783314106576
  • Preis (D):
    20,00 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Illustration:

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