Manfred Baur im Interview

Beitrag von Janett Cernohuby | 25. Oktober 2016

Die Kindersachbuchreihe "WAS IST WAS" begeistert seit den 1960ern Kinder und Eltern gleichermaßen. Sie greift spannende Sachthemen auf und fasst sie verständlich für Kinder zusammen. Viele Autoren sind an der Entstehung der Bände beteiligt, einer davon ist Manfred Baur. Auf der Buchmesse Frankfurt 2016 veranstaltete er nicht nur spannende Vorträge für Kinder, sondern nahm sich auch die Zeit für ein Interview mit uns.


Janett Cernohuby
Sie kommen gerade von einer Veranstaltung zum Thema "Rund um den Globus". Wie war die Resonanz der (jungen) Zuschauer?

Manfred BaurManfred Baur
Die Kinder wissen alle sehr, sehr viel. Ich habe ganz bewusst geologische Themen angesprochen, die zu tun haben mit Erdbeben, Vulkanismus, extremen und spannenden Orten der Welt wie der Sahara, Arktis und Antarktis und der pazifischen Inselwelt. So bekommen Kinder ein Gefühl für unseren schönen Planeten.

Janett Cernohuby
Erzählen Sie uns etwas zu Ihrem bald erscheinenden Buch „Weltatlas“?

Manfred Baur
Ein Atlas ist erst mal eine Sammlung von Karten. Beim „Weltatlas“ haben wir die Karten erläutert. Unsere jungen Leser müssen ja erst lernen, Karten richtig zu lesen. Ganz wichtig sind die visuellen Ankerpunkte, an denen sich der Leser festhalten kann.
Und dann natürlich die Zusammenhänger: Warum ist die Sahara so wichtig? Wie ist der Sand entstanden? Was hat die Sahara mit dem Amazonas zu tun? Mit diesen Themen versuchen wir das Bewusstsein von Kindern zu schärfen - in einem Alter, in dem sie besonders zugänglich sind, in dem man sie noch zum Lesen motivieren kann.

Janett Cernohuby
Sie haben für die Reihe WAS IST WAS eine Vielzahl Bände geschrieben. Wie wurden Sie zum Autor dieser Familie?

Manfred Baur
Es hat damit angefangen, dass ich selbst auch einmal WAS IST WAS-Leser war. Die Bücher waren damals die einzige Möglichkeit, um sich richtig zu informieren. Wir hatten keine Computer, kein Internet, sondern nur drei Fernsehkanäle, von denen immer nur zwei funktioniert haben. Da waren die WAS IST WAS Bücher das Medium an sich.

Als Kind habe ich mikroskopiert, als Jugendlicher habe ich Astronomie betrieben, später habe ich Chemie studiert. Irgendwann hat sich mir die Möglichkeit geboten, TV-Dokumentationen zu machen. Das habe ich wahrgenommen und habe über 20 Jahre lang Dokumentarfilme gedreht. Über einen Grafiker habe ich erfahren, dass ein Autor für Hörspiele gesucht wird. Ich habe gesagt, “Klar, Hörspiele kann ich. Das ist Film ohne Bild, nur mit mehr Möglichkeiten. Da kann ich zum Nordpol reisen, zum Mond, das kostet kaum Geld.“ So habe ich begonnen die Hörspiele zu machen. Dann wurde im Tessloff Verlag überlegt, die Reihe neu aufzulegen und auch grafisch neu aufzubereiten. Um eine jüngere Zielgruppe anzusprechen und sie neugierig auf Sachwissen zu machen.
Ich durfte mir auch die Themen aussuchen und da habe ich mir natürlich das ausgesucht, was mich als Kind interessiert hat und auch heute noch interessiert: Dinosaurier, Haie, Vulkane und, ganz wichtig, Raumfahrt und Weltall.

Janett Cernohuby
Was ist für Sie das Besondere an der WAS IST WAS-Reihe?

Manfred Baur
Die Reihe hat sich im Laufe eines halben Jahrhunderts sehr gewandelt und sich immer an die aktuelle Forschung angepasst. Es macht Spaß, für sie zu schreiben. Es macht Spaß sie zu lesen - ich lese auch gerne die Bände meiner Kollegen, die ebenfalls für WAS IST WAS schreiben.
Ich selbst bin wahnsinnig neugierig, so wie die Kinder, die ja von Haus aus neugierig sind. Bei meinen Vorträgen lerne ich immer wieder kluge Köpfe kennen. Kinder sind einfach fantastisch. Vielleicht werden aus ihnen mal Wissenschaftler und selbstbewusste Menschen, die wissen, wie sie ihren Standpunkt vertreten. Menschen, die ihre Welt schützen so wie sie ist oder sogar ein bisschen besser machen. Die Buchreihe zeigt den Lesern, wie wunderbar die Welt ist und welche Möglichkeiten man als Mensch hat.

Was mir großen Spaß bereitet, sind die fiktiven Interviews. Ich habe einen Pinguin interviewt, einen Roten Zwerg, ein Strahlentierchen und viele seltsame Wesen mehr. Das sind Interviewpartner, die man im realen Leben natürlich nicht hat, die aber trotzdem sachlich fundierte Antworten geben.

Janett Cernohuby
Besonders wenn es um technische Themen, Raumfahrt oder Natur und Tierwelt geht, sieht man Ihren Namen immer wieder auf den Büchern. Erinnern Sie sich noch an ihr erstes Buch für diese Reihe?

Manfred Baur
Das waren sogar sechs Stück, die ich parallel geschrieben habe. Darunter waren, die Haie, die Vulkane und die Wale & Delfine. Das erste Manuskript, das ich dann abgeliefert habe, waren die Dinosaurier.

Janett Cernohuby
Welches dieser Themen war Ihr persönlicher Favorit und warum?

Manfred Bauer
Ich mag alle Themen. Was mir aber sehr wichtig war, ist die Raumfahrt. Als ehemaliger Amateurastronom machen mir alle Kosmologie- und Astronomiethemen sehr großen Spaß.

Janett Cernohuby
Thematisch sind ihre Bände sehr vielseiteig. Sie selbst haben Vorkenntnisse auf ganz anderen Gebieten.

Manfred Baur
Ich habe Chemie studiert. Interessiert haben mich aber auch andere Gebiete. Ich habe mich während des Studiums mit dem Filmemachen und Schreiben auseinandergesetzt.
Schon in der fünften Klasse wollte ich Schriftsteller und Naturwissenschaftler werden und in gewisser Weise hat sich das dann auch so gefügt. Ich war immer vorbereitet, wenn sich mir eine Gelegenheit geboten hat.

Janett Cernohuby
Es fällt Ihnen also nicht schwer, sich in andere (wissenschaftliche) Disziplinen einzuarbeiten?

Manfred Baur
Das muss man auch können. Ich muss ja auch abstrahieren können, wie tief ich in die Thematik hineingehe. Ich mache ja kein Fachbuch, sondern ein Sachbuch für Kinder.

Janett Cernohuby
Ihr aktueller Band dreht sich um das Thema Polargebiete. Was fasziniert sie an diesen besonders?

Manfred Baur
Die Polargebiete sind extreme Umgebungen. Die Antarktis ist für den Menschen so lebensfeindlich. Andererseits beherbergt sie auch sehr viel Leben. Man lernt die Zusammenhänge der Kreisläufe kennen: die Nahrungsnetze, warum Meereis so wichtig ist oder die wunderbare Tierwelt, die sich dort entwickelt hat.
Sehr, sehr wichtig ist natürlich die Bedeutung der Polargebiete für die Erde. Sie sind die Kühlkammern des Planeten. Das Nordpolarmeer das sich in den Golfstrom erstreckt, der über den Nordatlantikstrom bis nach Europa reicht und West- und Mitteleuropa so ein mildes Klima verschafft. Wenn dieses Nordpolarmeer nicht wäre, wäre das Klima bei uns ganz anders. Ohne die Eisschilde würde sich auch die Erde sehr viel stärker erwärmen.
Ich möchte mit dem Band erreichen, dass die Begeisterung auf die Kinder überspringt, dass sie sagen „Ach, ist das aber toll!“. Und ich erhoffe mir, dass die Antarktis auch in Zukunft besonders geschützt wird und dass es einen ähnlich Schutz auch für die Arktis geben wird. Das wird eine Aufgabe für die nächste Generation sein.

Janett Cernohuby
Wem fühlen Sie mehr verbunden? Dem Planeten Erde und seiner Geschichte oder den unendlichen Weiten des Weltalls mitsamt seinen Sternen, Planeten und anderen Phänomenen.

Manfred Baur
Naturgemäß erst mal mit der Erde. Das ist unsere Oase im Weltall. Alles andere – Mond, Venus, Mars -, ist lebensfeindlich. Aber es ist natürlich fantastisch, denn die ganz großen Fragen stellen sich ein, wenn man das Universum betrachtet. Wie ist das Universum entstanden? Was musste alles geschehen, dass Leben auf der Erde entstehen konnte und letztlich auch der Mensch?

Vom Gefühl her bin ich Allgäuer, meine Lieblingsfarbe ist grün und wenn ich eine Kuh auf der Weide sehe, dann ist das wunderbar. Mit den Bergen, den Kühen, da kann ich mich identifizieren, da fühle ich mich wohl. Aber ich liebe auch das Meer und ich finde es auch wahnsinnig spannend mir zu überlegen, wie die Reise zum Mars ist.

Janett Cernohuby
Sie waren auch beim Hörspiel „Expedition zum Mars“ als Autor involviert. Sind Zukunftsvisionen eine größere Herausforderung als klassische Sachthemen?

Manfred Baur
Wenn ich über das Thema Mars spreche, heißt es ja: der erste Mensch, der den Mars betreten wird, ist schon geboren. Da kann man dann mal in die Runde gucken, in der dann Acht- bis Zehnjährige sitzen - es könnte also einer von ihnen sein. Oder sie könnten zumindest dazu beitragen, die Fahrzeuge zu entwickeln, das Weltraumessen kochen oder die Flugbahnen zu berechnen. Beim bemannten Marsflug werden ja sehr viele Menschen beteiligt sein. Klar, Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen. Aber auch klassische Sachthemen muss man als Autor neu angehen und neue Aspekte herausarbeiten.

Janett Cernohuby
Bis wann glauben Sie, ist eine realistische Besiedelung des Planeten Mars möglich?

Manfred Baur
Die NASA sagt ja - derzeit wieder -, dass es in den 2030er Jahren eine bemannte Marsumrundung geben könnte und dass Ende der 2030er Jahre eine Landung stattfinden könnte - was meiner Ansicht nach, sehr optimistisch ist. Andere sagen, dass eine bemannte Marslandung nicht vor 2050 passieren wird. Dann gibt es noch die Mars One Mission, die von Niederländern ins Leben gerufen wurde, mit einem One-way-Ticket. Die das Ganze für angeblich sechs Milliarden US-Dollar stemmen wollen. Das glaube ich in der Tat nicht. Die Zahlen für das NASA-Projekt liegen irgendwo zwischen 70 und 300 Milliarden. Aber man ja weiß, wenn man etwas prognostiziert, kann es auch leicht mal ein Mehrfaches davon werden.

Eine Besiedelung in dem Sinne wird ziemlich schwierig. Der Mars ist kein so richtig toller Planet zum Leben, wenn auch der Beste in unserem Sonnensystem – nach der Erde natürlich. Man muss sich auf dem Mars vor Strahlen schützen, es gibt kein schützendes Magnetfeld. Die Atmosphäre ist viel zu dünn und ohne schützende Ozonschicht, sodass die UV-Strahlung bis zur Marsoberfläche durchdringt. Wenn ich also mein Habitat, mein Zuhause, verlasse, kann ich das nur in einen Raumanzug. Wenn es einen Sonnensturm gibt, muss ich mich unter der Erde verstecken. Gegen die härtere kosmische Strahlung ist gar kein Kraut gewachsen. Alles was mit Terraforming zu tun hat, ist eine gute Idee, um das mal durchzuspielen. Aber selbst wenn es funktionieren würde, muss man ja in tausend Jahren denken. Man müsste den Mars mit Treibhausgasen erwärmen, dann würden die Polkappen abschmelzen, Der Atmosphärendruck würde steigen und Ozeane entstehen. Dann könnte man den Mars begrünen. Wünschenswert wäre dann auch noch ein künstliches Magnetfeld… und das wird richtig schwierig.

Langfristig gesehen müssen wir, beziehungsweise unsere Nachfahren, den Planeten Erde ohnehin verlassen. Spätestens in 1,3 Mrd., vielleicht auch schon in 800 Mio. Jahren, wächst die Sonne zu einem Roten Riesen an. Es wird dann auf der Erde immer wärmer und unerträglicher. Das Wasser verdunstet, irgendwann verdampft es auch. Bis dahin sollten wir eine Möglichkeit gefunden haben, uns woanders aufzuhalten. Da wäre der Mars eine Zwischenstation, denn er ist ein bisschen weiter draußen. Aber letztendlich läuft es, in ganz ferner Zukunft, auf irgendein Raumschiff aus, wo Generationen überdauern und sich selber versorgen können.

Ob so etwas in 10.000 Jahren mal möglich ist, ist sicher denkbar. Doch das ist erst einmal nicht so wichtig. Sehr viel wichtiger ist es, sich mit aktuellen Themen zu beschäftigen. Wir sollten das bestehende Raumschiff „Erde“, auf dem wir leben, diese wunderbare Oase im All erhalten und schützen. Wir Menschen haben die Verantwortung für Tiere und Pflanzen. Wir haben eine Verantwortung für den Planeten. Dieses Bewusstsein für unseren Planeten und unsere Verantwortung dafür zieht sich durch die ganze WAS IST WAS-Reihe.  

Janett Cernohuby
Wissen Sie bereits, was das nächste Thema sein wird, dem Sie sich widmen?

Manfred Baur
Ja, ich habe bereits angefangen einen Sonderband über „Pflanzen“ zu schreiben. Darin möchte ich zeigen, wie wichtig und wie hochinteressant Pflanzen sind. Welche Symbiosen es zwischen Pflanzen, Pilzen (die ja keine Pflanzen sind) und Tieren gibt. Da gibt es Erstaunliches zu berichten, etwa dass Pflanzen durchaus lügen können und extrem wehrhaft sind. Klar, wird es da auch um fleischfressende Pflanzen gehen und um eine Pflanze, die sich gegen Fressfeinde wehrt, indem sie pupst.

Janett Cernohuby
Vielen Dank für Ihre Zeit und das Interview. Ich wünsche Ihnen noch viel Spaß auf der Messe.

Manfred Baur im Interview