Es wird keine Helden geben

von Anna Seidl
Rezension von Janett Cernohuby | 26. Januar 2016

Es wird keine Helden geben

Gibt es sie überhaupt, Helden die sich selbstlos für andere opfern oder sind sie nur eine Erfindung von Romanautoren, Film und Fernsehen? Denkt der Mensch zuerst an sich selbst, wenn wirklich eine Gefahr droht? Wir wissen, dass es nicht so ist, doch die fünfzehnjährige Miriam hat ein weitaus negativeres Bild von sich und den Menschen. Davon erzählt Anna Seidl erzählt in ihrem Roman "Es wird keine Helden geben".

Was als völlig normaler Schultag begann, soll als Alptraum enden. Die fünfzehnjährige Miriam verlässt in der Pause das Klassenzimmer, als Schüsse in der Schule fallen. In ihrer Panik flüchtet sie sich zusammen mit zwei anderen Schülern auf das Jungenklo und versteckt sich dort in einer Kabine. Sie entkommt, muss aber mit anhören, wie andere Schüler erschossen werden. Als Miriam ihr Versteck verlässt, findet sie ihren Freund Tobi angeschossen am Boden liegend. Er wird mit dem Notarzt ins Krankenhaus gefahren, dennoch kommt für ihn jede Hilfe zu spät.
Miriam steht unter Schock. Tagelang verkriecht sie sich in ihrem Zimmer, isst kaum etwas und verlässt das Haus auch nur unter Druck ihrer Eltern. Zwei Fragen schwirren Miriam durch den Kopf. Warum und wie? Warum ist das geschehen, warum hat sie ihrem Freund nicht geholfen und wie soll sie nun weitermachen?

Für ihr Debüt hat sich die deutsche Autorin Anna Seidl kein leichtes Thema ausgesucht. Ein Amoklauf an einer deutschen Schule ist ein seltenes Phänomen, wenngleich es auch traurige Fälle in Deutschland gegeben hat.
Die Autorin geht in "Es wird keine Helden geben" weniger auf die Tat selbst, den Amokläufer und die Hintergründe ein, sondern konzentriert sich ganz auf die fünfzehnjährige Protagonistin. Um dies so überzeugend und emotional wie möglich an den Leser weiterzugeben, erzählt sie die Geschichte aus der Ich-Perspektive. Durch diese Kulisse und der einseitigen Perspektive schränkt sie die Handlung dabei ziemlich ein. Der Leser lernt nur Miriam kennen, die offenbar bildhübsch ist, eine tolle Figur hat und mit einem tollen Jungen zusammen war. Sie ist beliebt und hatte bis zum Amoklauf vier enge Freundinnen. Geldsorgen scheint sie nie gekannt zu haben, lediglich die Ehe ihrer Eltern ist nicht perfekt. Dieser Rahmen schränkt die Handlung und die Szenen natürlich stark ein. Alles was wir erfahren, ist aus Sicht Miriams und dreht sich um sie. Jedoch bietet uns die Autorin somit die Möglichkeit, ein Opfer und seine Gefühlswelt "persönlich" kennenzulernen. Kann man Miriam ihre Arroganz und ihren Egoismus der ersten Tage und Wochen nach dem Amoklauf vorwerfen? Als sie sich von allen abschottet, sich gegen Therapien und Gespräche wehrt? Oder ist es ein Stück weit nachvollziehbar, dass sie reagiert, wie sie es tut? Die Autorin zeichnet hier ein sehr deutliches und klares Bild eines Teenagers, was für das Buch natürlich äußerst positiv ist. Es fesselt von der ersten bis zur letzten Seite
Doch es ist auch ein bisschen schade, dass man nicht mehr über die Tat selbst erfährt. Was waren die Beweggründe für den Amoklauf? Wie geht es den Eltern des Amokläufers, bei dem es sich immerhin um einen Schüler der Schule handelte? Gab es keine Anzeichen und was war der Auslöser? Von Miriam erfahren wir im Laufe der Handlung, dass der Amokläufer, Matias, alles andere als beliebt war. Tatsächlich wurde er von seinen Mitschülern immer wieder gemobbt und gedisst. Das hat letztendlich zu der Tat geführt. Autorin Anna Seidl wirft hier dem Leser einige Brocken hin, lockt sie damit, lässt sie dann aber verhungern. Diesen Aspekt des Romans anzudeuten, aber nicht fortzuführen, ist schade und macht das Buch ein wenig einseitig. Natürlich wäre es weitaus umfangreicher ausgefallen, hätte man diesen Aspekt noch mit aufgenommen.
Und trotzdem ist Anna Seidls Erstlingswerk sehr emotional, berührend und ergreifend geschrieben. Einmal begonnen, zieht es den Leser schnell in seinen Bann und lässt ihn nicht so schnell los.

"Es wird keine Helden geben" ist eine düsterer Titel, der verständlich wird, wenn man gelesen hat, was Miriam und ihre Mitschüler erlebt haben. Anna Seidl hat sich für ihren ersten Jugendroman kein leichtes Thema ausgesucht, es dennoch gut umgesetzt. Leider ist ihre Art, das Thema Mobbing einzustreuen, dann aber links liegen zu lassen, etwas enttäuschend und hätte dem Buch sicherlich gut getan. Dennoch liest man es mit Neugier und Spannung und begleitet die Protagonistin dabei, wieder den Anschluss an ein normales Leben zu finden.

Details

  • Autor*in:
  • Verlag:
  • Genre:
  • Sprache:
    Deutsch
  • Erschienen:
    01/2016
  • Umfang:
    256 Seiten
  • Typ:
    Taschenbuch
  • Altersempfehlung:
    14 Jahre
  • ISBN 13:
    9783841504029
  • Preis (D):
    8,99 €

Bewertung

  • Gesamt:
  • Spannung:
  • Anspruch:
  • Gewalt:
  • Gefühl: